Nicht wenige meinen, dass das Philosophieren abgehoben und lebensfremd sei. Nicht selten wird der Philosophie nachgesagt, sie wäre eine „brotlose Kunst“.

Philosophisch zu denken ist nicht gerade von Einfachheit bestimmt. Philosophieren ist eine Denkkunst mit wissenschaftlichem Anspruch. Es ist eine Art zu denken, den alltäglichen „Dingen“ des Lebens in besonderer Weise näherzukommen. Das Philosophieren als Denkmethode ermöglicht uns, die Weltgeschehnisse anders zu entdecken als nur mit dem Alltagsverständnis.

Wie kann hier das Philosophieren zum Verstehen von Spiritualität und Digitalisierung unseres Lebens sinnstiftend und gewinnend beitragen?

Vier Aspekte sollen hier Leitfaden für eine methodische Hilfe sein, das Spirituelle und Digitale philosophisch zu entdecken und zu beschreiben.

Erstens.

Was ist was?

Was ist unter allem zu verstehen?

Wir machen uns Gedanken über Spirituelles und Spiritualität, über Digitales, Digitalisierung und Digitalität. Wir kennen diese Begriffe – doch welchen Inhalt geben wir ihnen? Wir brauchen nach Möglichkeit ein übereinstimmendes Verstehen dieser Begriffe, um eine gemeinsame Sprache sprechen zu können, bevor wir über Weiteres reden wollen. Täten wir es nicht, ist die Gefahr für ein Miss- bzw. Unverständnis groß. Wir diskutierten aneinander vorbei. Auch wenn Auffassungen nicht immer einheitlich sind, so ist es doch wichtig, die Positionen anderer kennenzulernen, was sie z. B. unter dem Spirituellen und/oder Digitalen verstehen wollen.

Begriffsarbeit nimmt in der Philosophie einen wichtigen Platz ein. Die Thesenbroschüre zur Begleitung der Philosophischen Tage kann dabei eine wertvolle Hilfe beim Verstehen des Themas sein.

Zweitens.

Woher weiß ich, dass meine Erkenntnis oder Meinung richtig, wahr oder falsch ist?

Diese Frage berührt die Erkenntnis darüber, wie es um deren Quelle und Wahrheit bestellt ist. Erkenntnisse auf Wahrhaftigkeit zu überprüfen, ist äußerst schwierig, weil das Philosophieren oft von hoher Allgemeinheit und Abstraktion bestimmt ist. Einen plausiblen Nachweis über Wahrheiten zu führen, wie wir es z. B. bei der Überprüfung von Tatsachen in den Naturwissenschaften kennen, macht eine philosophische Wahrheitsfindung nicht einfacher. Beispiele aus dem Leben heranzuziehen – das kann hilfreich sein, um an die Wahrheit so nah wie möglich heranzukommen. Darüber hinaus spielt das Argumentieren, das logische Ableiten von Gedanken, das Erkennen von Plausibilitäten im Ringen um Wahrheit eine wichtige Rolle.

Um Erklärung, Aufklärung und Erkenntnisse geht es auch während der Philosophischen Tage. Woher nehmen wir die Gewissheit, wenn wir über Spiritualität und Digitalisierung unserer Lebenswelt reden, dass das, was wir sagen, wahr ist? Was begründet ihre Tatsächlichkeit und Wahrhaftigkeit? Oder haben wir es vielleicht mit Fake News oder Meinungsdarstellungen zu tun, die die Wirklichkeit des Lebens verzerrt abbilden? Verschwörungsnarrative oder das Kundtun von Meinungen werden zu unumstößlichen Wahrheiten erklärt.

Hinsichtlich der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) sind die einen Befürworter und euphorisch, andere skeptisch, zurückhaltend, ängstlich oder schreiben Katastrophenszenarien über die KI. Sind zwischen diesen Ansichten Wahrheiten auszumachen? Wie oft berufen wir uns auf Meinungen statt auf Fakten, lassen sachliche, logisch-widerspruchsfreie Argumente vermissen statt begründbare Wahrheiten zu entwickeln.

Drittens.

Wie stehen die Lebensdinge miteinander in Beziehung?

Was sind die Quellen für ihr Entstehen und Werden?

Spirituelles und Digitales, Spiritualität, Digitalisierung und Digitalität stehen insofern im Mittelpunkt der Betrachtung, weil wir nach deren Quellen, ihrem Entstehen und Werden fragen. Wie konnten sie sich in der Geschichte der menschlichen Gesellschaft und Technikentwicklung herausbilden?

Zwischen dem Entstehen des Spirituellen als Form menschlichen Geistes und dem des Digitalen in der Technikentwicklung liegen viele Jahrtausende. Sie haben jeweils ihre eigenen Quellen und Geschichten. Doch seit Mitte des 20. Jahrhunderts sind in unserer Gesellschaft beide Lebensphänomene präsent. Sie sind nicht mehr losgelöst voneinander. Beide stehen miteinander in einer Wechselbeziehung. Das Spirituelle wird durch die Digitalisierung unserer Lebenswelt digital durchdrungen, genutzt und verwertet. Im Digitalen erfährt der Mensch Spirituelles oder gar Göttliches.

Dem Digitalen haftet Unverstehbares, Unerfahrbares an und entzieht sich dem alltäglichen Verständnis. Vieles erscheint unbegreiflich, was durch die Digitalisierung unseres Lebens passiert. Dann ist der Gedanke nicht weit hergeholt, Algorithmen, KI, Google und Co. als Mächte anzusehen, die wie Göttliches über alles Menschliche und Weltliche herrschen. Konzentriert sich alle Macht des Digitalen auf Wenige? Wird das Digitale das Göttliche, Spirituelle im Zeitalter der KI?

Viertens.

Ein weiterer Teil des Philosophierens zielt auf Fragen der Ethik, des Sinns menschlichen Lebens und Werte von Gegenwart und Zukunft.

Ist die Digitalisierung unserer Lebenswelt eine Zumutung unseres menschlichen Daseins? Wird das Leben mit ihrer digitalen Durchdringung lebenswerter, freier oder führt sie uns in einen Abgrund zwischenmenschlicher Entfremdung?

Der Fortschritt dieser Technik-, insbesondere der KI-Entwicklung wird nicht aufzuhalten sein. – Warum auch? Weit mehr ist aus ethisch-moralischer Sicht darüber nachzudenken, welchen Wert diese Entwicklung für die Menschen hat. Eine ungezügelte KI, die auf Macht, Gier und Profit zielt, wird einer humanistischen Gesellschaft wenig nützen. Dabei wird für den Diskurs über die Ethik von Spiritualität und Digitalität die Frage förderlich sein: Brauchen wir angesichts der KI-Entwicklung eine neue Ethik? Welche Rolle könnte dabei das Spirituelle für Mensch und Gesellschaft spielen?

Hans-Jürgen Stöhr Rostocker Philosophische Praxis

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